27. Oktober 2021 | Thorsten Greiten

IR ist mehr als Zahlen, Nachhaltigkeit ist mehr als Grün - Strategic Sustainability bei Klöckner & Co als Teil der Investment Story

Nachhaltigkeit nimmt einen immer größeren Platz in der Strategieentwicklung der großen Konzerne ein – aber entstehen daraus auch Business Opportunities? Wir hatten die Möglichkeit mit Felix Schmitz zu sprechen, Head of Investor Relations & Head of Strategic Sustainability bei Klöckner & Co SE. Was hat es mit dem Housekeeping auf sich, worauf kommt es bei Grünem Stahl an und welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei? Felix Schmitz gibt einen spannenden Einblick in die Fokusthemen, Verantwortungen und Chancen des S-Dax-Konzerns – und verrät, was IR und Nachhaltigkeit verbindet.

Lieber Felix, vielen Dank für deinen Beitrag in diesen aufregenden Zeiten zwischen Corona-Pandemie und politischen Neuanfängen. Steigen wir ein…

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit bei Klöckner & Co und wie habt Ihr Euch in den letzten Jahren entwickelt? Was ist in den letzten 24 Monaten passiert?

Wir haben in den vergangenen sechs, sieben Jahren eine rasante Entwicklung im Feld der Digitalisierung hingelegt und konnten damit große Erfolge feiern. In den letzten zwei Jahren gab es dann eine noch feinere Weiterentwicklung und Adjustierung. Vieles was vor drei, vier Jahren noch gar nicht denkbar gewesen ist, können wir heute umsetzen. Und mit diesem Mindset gehen wir auch die Herausforderungen der Zukunft in diesem Bereich an.

Auch beim Thema Nachhaltigkeit hat sich einiges bei uns entwickelt. Ein entscheidender Punkt war da definitiv das Jahr 2020. Bis dahin war es bei uns wie bei vielen kleineren, gelisteten Unternehmen: Nachhaltigkeit wurde im Bereich Investor Relations verortet und war vom Reporting abgedeckt. Die operativen Nachhaltigkeitsaktivitäten waren eher dezentral auf die einzelnen Länder verteilt. Im Jahr 2020 hat Klöckner & Co sich dann zur SBTi Ambition für 1.5°C verpflichtet. Das ist das wohl Ambitionierteste und Valideste, was ein Unternehmen tun kann, um Verantwortung für die eigenen Emissionen zu übernehmen. Dieser Schritt hat zu einem großen Schwung in der Organisation geführt und das Thema Nachhaltigkeit ganz oben auf die Agenda katapultiert. Wir wollen nicht nur im Bereich Digitalisierung als Pionier glänzen, sondern uns umfassend verantwortlich zeigen.

Welche Rolle spielt das Thema „Nachhaltigkeit“ in Eurer Investment Story?  

Viele Themen spielen eine Rolle, aber Nachhaltigkeit ist definitiv ein wichtiger Teil der Konzernstrategie – und somit auch der Equity Story. Unser CEO Guido Kerkhoff sowie das gesamte Management-Team erkennen die Bedeutung von Sustainability für Klöckner & Co, allerdings ist es nicht unser alleiniges Fokusthema. Aus meiner Perspektive haben wir inzwischen ein sehr besonderes, sehr strategisches Verständnis dazu entwickelt. Bei uns wurde Nachhaltigkeit nicht in den fünften oder sechsten Layer gerückt. Wir sehen das Thema als große Chance und machen es deshalb zum CEO-Thema.

Bei vielen Unternehmen ist Nachhaltigkeit vor allem nach innen gerichtet. Bei Klöckner & Co haben wir große Vorteile auf dem Markt, da wir unabhängig agieren und bereits stark digitalisiert sind. Dadurch erfüllen wir die Grundvoraussetzung, unseren Kunden in Zukunft zu zeigen, wie viel CO2 in Grünem oder CO2-reduziertem Stahl bilanziert ist. Ein großer Glücksfall für uns: Wir haben die Möglichkeit, zukünftig CO2-freie Produkte anzubieten, die für den Aufbau einer nachhaltigen Wertschöpfungskette und die weltweite Industrie wichtig sind.

Heißt das, Eure Strategie schafft eine Schnittmenge von Digitalisierung, ESG und Wertschöpfungskette?

Ganz genau. „Game Changer“ für uns war letztendlich Covid-19. Die dadurch nochmal beschleunigte Transformation hat unsere Organisation agiler und offener gestaltet. Das betrifft unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die Unternehmensstruktur insgesamt. Daraus ergibt sich ein riesiger Vorteil für uns, um der nächsten Transformation zu begegnen. Denn wir sind überzeugt, dass der Change Prozess bei der Nachhaltigkeit viel größer und herausfordernder wird, als es die Pandemie war. Unsere Aufgabe im Bereich Strategic Sustainability ist es, die sich daraus ergebenden Geschäftschancen zu identifizieren, sie in andere Geschäftsbereiche hineinzutragen, und den Austausch zu dem Thema zwischen den Landesorganisationen zu verbessern.

Nachhaltige Geschäftschancen im Stahl werden sich nicht erst in fünf, zehn oder zwanzig Jahren ergeben. Wir sehen hier bereits heute und natürlich auch im kommenden Jahr Momentum. Der Wandel wird schneller kommen als wir denken und ist teilweise schon da. Neue Technologien sind bereits vorhanden. Wir erkennen und nutzen das, aber unsere Kunden müssen uns vertrauen und wir müssen zeigen, wie grün unser Stahl wirklich ist. Nur dann werden sie ihn auch kaufen. Dank unserer frühzeitigen Digitalisierung sind wir in der Lage transparent zu kommunizieren – und das tun wir auch.

In den Investor Relations und auch allgemein in der Unternehmenskommunikation gibt es viele disruptive Elemente, z.B. durch KI oder durch den Wegfall der Banken als Intermediäre. Hat das Berufsbild IR trotzdem Zukunft?

Auf jeden Fall. IR und Nachhaltigkeit haben eine sehr hohe strategische Bedeutung. Beide Aspekte sind für die Strategieentwicklung relevant. Stark rückwärtsgewandte Geschäftsberichte zu erstellen und einfach Zahlen einzutragen – das ist Vergangenheit. Der Kapitalmarkt ist in den letzten Jahren schneller und erheblich komplexer geworden. Diese Komplexität muss verstanden werden. Nur Anhand von Zahlen lässt sich der Kapitalmarkt nicht mehr erfassen. Es geht darum, Trends zu erkennen, bevor sie zu Trends werden. Darum, zu verstehen, dass IR mehr als nur „Zahlen“ und Sustainability mehr als nur „Grün“ sind. Und es geht darum, den strategischen Wert für ein Unternehmen in der Zukunft zu erkennen und zu nutzen. Das ist nachhaltig gewinnbringend.

Hier liegt die Schnittmenge der beiden Bereiche. Bei uns reden wir zum Beispiel viel über Arbeitsmarktentwicklungen, Health & Safety, Soziales, Demografie – all diese Themen haben strategische Bewandtnis und dienen dazu, sich am Markt zu positionieren. Das muss aber erstmal erkannt werden. Wer nur hinterherläuft und versucht Schritt zu halten, wird nicht weit kommen. Aber wenn ich Daten sammle und damit arbeite, habe ich als IR-Verantwortlicher perspektivisch auch die Möglichkeit, das Unternehmen strategisch zu positionieren.

Wie beurteilst du die Relevanz des Themas „Nachhaltigkeit“ in den globalen Kapitalmärkten? Ist das Thema gekommen, um zu bleiben?

Ja, da bin ich mir sicher. Wir müssen Verantwortung übernehmen und darüber berichten. Das Housekeeping muss stimmen. Vieles dazu muss noch intern organisiert und harmonisiert werden. Aber in fünf Jahren diskutieren wir nicht mehr darüber, wie ein Nachhaltigkeitsbericht auszusehen hat.

Letztendlich muss sich aber jedes Unternehmen die Frage stellen, wie es mit der Thematik umgeht. Die innere Haltung ist dabei wichtig, aber damit wird man in Zukunft keinen Investor mehr überzeugen. Wie manage ich die zunehmende Komplexität? Wie gehe ich mit Risiken um? Wie kann ich mich positionieren? Wenn ich für mich klare Antworten auf diese Fragen habe, kann ich auch Investoren begeistern.

Heißt das, dass Housekeeping die notwendige Bedingung ist, aber hinreichend für Erfolg ist die Transformation in Business Opportunities?

So sehen wir das bei Klöckner & Co, ja. Sicher ist das auch branchenabhängig. Aber was für die Digitalisierung gilt, gilt auch für Sustainability: Schließlich gilt es, Business Chancen zu identifizieren und diese dann auch zu nutzen.

Letzte Frage: Nachhaltigkeit – ein Widerspruch mit vielen Risiken oder eine große Chance? 

Hinter all den Risiken verbergen sich unheimlich viele Chancen. Der Sommer hat bewirkt, dass auch die aufgewacht sind, bei denen die Fridays for Future-Bewegung noch nicht ausgereicht hat. Für viele ist das Thema Nachhaltigkeit greifbarer geworden. Im Februar hatten wir Schnee in Dallas, später Rekordhitze in Kanada. Und dann im Sommer die schreckliche Flut hier vor unserer Haustür. Es steht außer Frage, dass der Klimawandel in beträchtlicher Geschwindigkeit voranschreitet. Wir sehen nun viel Bewegung in der Industrie und wir bei Klöckner & Co haben klar definiert, wohin wir uns bewegen wollen.

Die Nachhaltigkeits-Transformation wird uns allen viel abverlangen. Dem stehen aber auch zahlreiche Möglichkeiten gegenüber. Es wird in unserer Industrie Gewinner geben, aber auch Verlierer. Ich bin davon überzeugt, dass Klöckner & Co zu den Gewinnern zählen wird.

Vielen Dank für deine Zeit und das Interview, Felix Schmitz!

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