HR Benchmark: Karriereportale zwischen inhaltlicher Reife, technologischem Stillstand und neuen Impulsen

Der aktuelle HR Benchmark zeigt ein differenziertes Bild: Karriereportale haben in den letzten Jahren deutlich an Profil gewonnen – inhaltlich gefestigt, technisch aufgewertet und kommunikativ präziser. Während revolutionäre Neuerungen eher die Ausnahme bleiben, zeichnen sich dennoch vielversprechende Entwicklungen ab, die das digitale Employer Branding zukunftsfähig gestalten.

Solide Inhalte, zielgerichtete Kommunikation: Das Fundament steht

Inhaltlich bewegen sich viele Unternehmen auf einer soliden Basis, die über Jahre systematisch aufgebaut wurde. Die gezielte Ansprache verschiedener Zielgruppen – vom Azubi bis zum Young Professional – gehört inzwischen zum Standard-Repertoire. Auffällig bleibt jedoch: Führungskräfte als Zielgruppe bleiben weiterhin unterrepräsentiert, obwohl gerade sie im heutigen Arbeitsmarkt eine entscheidende Rolle spielen.

  • Otto gibt Auszubildenden eine Stimme – im Azubi-Blog berichten junge Talente aus ihrem Arbeitsalltag.
  • Maximale Zielgruppenansprache für nachhaltigen Erfolg
  • Fresenius lässt Menschen sprechen: Persönliche Erzählungen machen Unternehmenskultur erlebbar.
  • Testimonials und Mitarbeiterstories: Unverzichtbare Elemente des Employer Brandings
  • BMW Group sucht IT-Talente für Softwareentwicklung, autonomes Fahren und Cyber Security.

Authentisches Storytelling ist längst Teil der DNA moderner Karriereportale: Mitarbeitende teilen ihre Karrierewege, geben Einblicke in ihren Arbeitsalltag und machen Unternehmenskultur erlebbar. Besonders positiv: Die wachsende Medienvielfalt – von persönlichen Texten über Podcasts bis zu kurzweiligen Videoporträts – schafft emotionale Berührungspunkte und authentische Einblicke.

Diversity und kulturelle Werte haben sich als feste Bestandteile der Unternehmenskommunikation etabliert. Haltung zu Gleichstellung, Familienfreundlichkeit, Remote-Arbeit und Work-Life-Balance wird transparent vermittelt. Erfreulich: Auch belastbare Kennzahlen – etwa zum Frauenanteil in Führungspositionen – gewinnen spürbar an Bedeutung und verleihen den Kulturaussagen die nötige Substanz.

  • Alles auf einen Blick: Die Telekom zeigt, was sie als Arbeitgeber auszeichnet.
  • Unternehmenskultur, Vielfalt, Inklusion: Schlüssel für eine erfolgreiche HR-Kommunikation
  • Continental präsentiert Werte, Kultur und Benefits – kompakt, klar und überzeugend.
  • Weiche Faktoren gewinnen in der Kommunikation zunehmend an Bedeutung
  • Die Allianz macht erlebbar, was Mitarbeitende erwarten können – mit Fokus auf Wertschätzung und Balance.

Zurück zur persönlichen Nähe: Der Mensch im Fokus

Ein bemerkenswerter Trend ist die Rückbesinnung auf das Persönliche. Immer mehr Unternehmen nennen konkrete Ansprechpersonen auf ihren Karriereseiten – eine Entwicklung, die Vertrauen schafft und den Recruiting-Prozess menschlicher gestaltet. Auch wenn diese Praxis noch keine Mehrheit erreicht hat, ist der stetige Zuwachs ein ermutigendes Signal – ohne dabei die digitalen Kanäle zu vernachlässigen.

Besonders auffällig: Die Renaissance physischer Events. Ob klassische Jobmessen, Recruiting-Days oder exklusive Netzwerktreffen – der direkte Austausch vor Ort erlebt ein echtes Comeback und wird prominent auf den HR-Seiten platziert. Virtuelle Formate, die während der Pandemie dominierten, treten dagegen zurück. Der persönliche Kontakt bleibt ein unverzichtbares Element im HR-Kommunikationsmix.

Parallel verändert sich die Content-Strategie: Eigenständige Karriereblogs verlieren an Bedeutung, während HR-Themen zunehmend in den allgemeinen Unternehmensauftritt integriert werden. Podcasts – insbesondere mit Interviews und Erfahrungsberichten – behaupten ihren Platz, spielen jedoch weiterhin eher eine ergänzende Rolle.

  • Der Bewerbungsprozess bei E.ON: Klar, verständlich und mit nützlichen Tipps, um sich erfolgreich zu präsentieren.
  • Werden Bewerbungstipps gegeben?
  • Mit praxisorientierten Tipps unterstützt Siemens Bewerbende auf ihrem Weg durch den Auswahlprozess.
  • Werden für die einzelnen Fachbereiche direkte Ansprechpartner im HR-Bereich aufgeführt?
  • Werden Events wie z.B. Jobmessen erwähnt?
  • Werden Online-Termine angeboten?
  • Mit "Triff unsere Recruiter" schafft Volkswagen einen direkten Draht zwischen Bewerbenden und dem Recruiting-Team.

Inklusion und Transparenz: Fortschritte mit Luft nach oben

Inklusion wird zunehmend als selbstverständlicher Teil der Unternehmenskultur verstanden und sichtbar kommuniziert. 82 Prozent der untersuchten Unternehmen bekennen sich aktiv zu einer inklusiven Arbeitsumgebung. Die konkrete Umsetzung hinkt jedoch: Der Anteil veröffentlichter Inklusionsquote ist im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht gesunken und liegt im einstelligen Prozentbereich -  ein Warnzeichen für HR-Verantwortliche.

  • Transparente Vielfalt bei RWE: Das Diversity Dashboard zeigt, wie gelebte Inklusion messbar wird.
  • Nennt das Unternehmen Kennzahlen zu Frauen in Führungspositionen?
  • Gibt es Kennzahlen zu Nationalitäten?
  • Werden Aussagen zur Inklusionsquote gemacht?

Technologischer Stillstand: Barrierefreiheit und digitale Features auf dem Prüfstand

Im Bereich der technischen Barrierefreiheit offenbart sich eine der größten Schwachstellen: Echte Fortschritte bleiben Mangelware. Viele Unternehmen investieren noch zu wenig in optimierte Ladezeiten, strukturierte Metadaten, sinnvolle Alternativtexte und barrierefreie Navigation – und verschenken damit wichtige Punkte in Sachen Nutzerfreundlichkeit. Diese Defizite spiegeln sich in schwachen Google Lighthouse Scores wider, wobei selbst grundlegende Anforderungen häufig unterschritten werden.

  • Ist die Desktop-Darstellung gemäß des Google Lighthouse Indexes im grünen Bereich?
  • Ist die mobile Darstellung gemäß des Google Lighthouse Indexes im grünen Bereich?
  • Gibt es passende Alternativ-Texte im HTML-Code für hinterlegte Grafiken?

Mit Blick auf das kommende Barrierefreiheitsstärkungsgesetz im Sommer wird es höchste Zeit zu handeln. Obwohl Karriereseiten zunächst nicht direkt betroffen sein werden, sollten sie in einer glaubwürdigen Diversity-Strategie selbstverständlich barrierefrei konzipiert sein. Das erhebliche Optimierungspotenzial bleibt bislang weitgehend ungenutzt – während echte Inklusion auf vielen Unternehmenswebseiten mehr Versprechen als Realität ist.

Gleichzeitig stagnieren interaktive Features wie Chatbots, Cultural-Fit-Tests oder One-Click-Bewerbungen – oder verschwinden sogar wieder komplett. Nur wenige dieser digitalen Tools haben sich langfristig bewährt, was auf fehlendes strategisches Denken im digitalen Recruiting hinweist. Als Lichtblick ist lediglich die steigende Nutzung von Job-Alerts zu verzeichnen, mit denen Interessierte proaktiv über passende Stellenangebote informiert werden.

KI auf Karriereseiten: Zwischen Pioniergeist und vornehmer Zurückhaltung

Der Bereich künstlicher Intelligenz zeigt ein faszinierendes Paradoxon im HR-Kontext: In kaum einem anderen Unternehmensbereich werden KI-Lösungen so intensiv diskutiert und erprobt wie im Personalwesen – doch ausgerechnet auf den digitalen Aushängeschildern, den Karrierewebsites, bleibt die Revolution bislang weitgehend aus. Die ersten mutigen Vorreiter experimentieren bereits mit intelligenten Jobmatchern, die über bloße Schlagwortsuchen hinausgehen. Diese analysieren hochgeladene Lebensläufe mittels KI und empfehlen passgenaue Stellenangebote – ein echter Mehrwert für Bewerbende und Unternehmen gleichermaßen. Auch erste dialogorientierte Chatbots mit echten Gesprächsfähigkeiten ersetzen allmählich ihre starren, regelbasierten Vorgänger und bieten individuelle Navigationshilfe im Stellendschungel.

Doch während im Backend-Bereich – bei der Bewerbungssichtung, dem Matching oder dem Screening – KI-Tools längst Einzug gehalten haben, herrscht auf den öffentlichen Karriereseiten noch erstaunliche Zurückhaltung. Die Mehrzahl der Unternehmen scheut den Sprung vom internen Experimentierfeld zur kundenorientierten KI-Anwendung. Gerade hier ließe sich jedoch enormes Potenzial erschließen: von personalisierten Karrierepfaden über maßgeschneiderte Content-Empfehlungen bis hin zu virtuellen Recruitern, die echte Dialogfähigkeit mit fundiertem Unternehmenswissen verbinden.

Was fehlt, ist der Mut zur sichtbaren Innovation. Während intern mit KI-gestützten Recruiting-Tools experimentiert wird, bleibt die Außendarstellung oft konventionell. Die Diskrepanz ist bemerkenswert: HR-Abteilungen implementieren im Backend zunehmend smarte Algorithmen, präsentieren sich nach außen jedoch häufig noch mit statischen, wenig interaktiven Websites.

Die Vorreiter zeigen bereits, wohin die Reise geht: Sie nutzen KI nicht als Selbstzweck, sondern als strategisches Instrument, um die Candidate Experience fundamental zu verbessern – mit dialogorientierten Assistenten, die tatsächlich Mehrwert bieten, intelligenten Empfehlungssystemen und personalisierten Karrierewegen. Diese Unternehmen verstehen: KI auf der Karriereseite muss mehr sein als technologisches Beiwerk – sie muss die User Experience spürbar optimieren und den Bewerbungsprozess einfacher, intuitiver und persönlicher gestalten.

  • Deutsche Bahn ermöglicht schnelle Bewerbungen per Chatbot – unkompliziert und mobil.
  • Gibt es einen HR-Chatbot?
  • Telekom setzt auf den Karrierematcher, um Bewerbende effizient und passgenau zu unterstützen.
  • Können Bewerbende einen Online-Test/Cultural-Fit-Test durchführen?
  • Gibt es einen Job-Alert, den Kandidat:innen abonnieren können?

Stabilität als Chance – Innovation als nächster Schritt

Der aktuelle HR Benchmark macht deutlich: Karriereportale deutscher Unternehmen sind in vielen Bereichen solide aufgestellt. Sie bieten fundierte Inhalte, sprechen relevante Zielgruppen an und entwickeln ihre Kommunikation kontinuierlich weiter.

Gleichzeitig ist nicht zu übersehen: Der durch Pandemie, Digitalisierung und Fachkräftemangel ausgelöste Innovationsschub hat merklich an Dynamik verloren. Wer sich jetzt zukunftssicher positionieren will, muss über das Bestehende hinausdenken – mutiger kommunizieren, innovative Services anbieten und die Candidate Journey konsequent aus Bewerbersicht gestalten.

Der Wettbewerb um Top-Talente entscheidet sich längst auf der digitalen Bühne. Es sind oft die kleinen Details, die den entscheidenden Unterschied machen – und darüber entscheiden, ob ein vielversprechender Kontakt entsteht oder eine Chance ungenutzt bleibt. Genau darin liegt die Chance für HR-Verantwortliche: in einem neuen, empathischen Recruiting-Ansatz, der Technologie, Unternehmenswerte und menschliche Nähe intelligent miteinander verbindet.