Wie die CSRD die Transparenz und Nachhaltigkeit in Unternehmen fördert: Interview mit Katrin Häuser, Managerin bei phiyond by adelphi
Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU bringt neue Herausforderungen in die Nachhaltigkeitsabteilungen vieler Unternehmen. Diese neue Richtlinie fordert CSR-Verantwortliche heraus, ihre Nachhaltigkeitsberichte auf Vordermann zu bringen und dabei ökologische und soziale Kriterien nicht nur zu beachten, sondern aktiv in ihre Strategien einzubinden. Aber was steckt wirklich hinter der CSRD, und wie hebt sie sich von bisherigen Standards ab?
Heute sprechen wir mit Katrin Häuser von phiyond by adelphi über alles, was mit der CSRD zu tun hat. Wir beleuchten, wie diese Richtlinie Unternehmen positiv beeinflussen kann, welche Stolpersteine dabei vielleicht im Weg liegen und wie sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung dadurch langfristig verändern wird.
Netzwerg: Katrin, herzlichen Dank vorab, dass du dir für uns Zeit genommen hast. Lass uns doch damit beginnen, für unsere Leser:innen die Besonderheiten der CSRD herauszustellen. In welchen Aspekten unterscheidet sich diese EU-Richtlinie von anderen Standards im Bereich der Nachhaltigkeit?
Katrin Häuser: Im Gegensatz zu bisherigen freiwilligen Nachhaltigkeitsstandards, ist die CSRD eine EU-Richtlinie – sie ist also verbindlich und wird durch nationale Behörden durchgesetzt. Ihr Ziel ist es, die nicht-finanzielle (Nachhaltigkeits-) mit der finanziellen Berichterstattung gleichzusetzen, indem beides im Lagebericht der Unternehmen veröffentlicht werden muss.
Die CSRD folgt auf die NFRD (Non-Financial Reporting Directive), mit der die EU zwar auch schon Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet hat, allerdings waren hier erheblich weniger Unternehmen betroffen und es gab keinen verpflichtenden Berichtsstandard. Wo früher also die Unternehmen entscheiden konnten, nach welchen Rahmenwerken sie berichten, werden nun Nachhaltigkeitsberichte in der EU einheitlich gemäß der europäischen Berichterstattungsstandards (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) veröffentlicht. Informationen müssen außerdem mit einem „digital tagging“ versehen werden. So soll die Vergleichbarkeit und Konsistenz der Berichte verbessert werden.
Ein weiterer Unterschied ist die Verpflichtung zur externen Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte. Die CSRD verlangt, dass die gemeldeten Informationen von unabhängigen Prüfer:innen auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft werden, was die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der Berichte erhöht.
Netzwerg: Wie beurteilst du die positiven Auswirkungen der CSRD auf die Nachhaltigkeitsziele und die allgemeine Entwicklung von Unternehmen?
Katrin Häuser: Durch die Ausweitung der Berichterstattungspflicht auf alle großen und börsennotierten Unternehmen müssen deutlich mehr Unternehmen ihre Nachhaltigkeitspraktiken offenlegen. Dies erhöht die Transparenz und den Druck auf Unternehmen, nachhaltiger zu agieren. Mehr Unternehmen werden dazu angehalten, ihre Umwelt- und Sozialverantwortung ernst zu nehmen und Maßnahmen zu ergreifen.
Die ESRS verpflichten Unternehmen außerdem, sich konkrete Nachhaltigkeitsziele zu setzen und regelmäßig über deren Fortschritt und Zielerreichungsgrad zu berichten. Diese Verpflichtung fördert nicht nur die Planung und Umsetzung nachhaltiger Strategien, sondern ermöglicht es auch, den Fortschritt messbar zu machen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Dies trägt zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele bei und fördert eine kontinuierliche Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung der Unternehmen.
Die CSRD erhöht das Bewusstsein und den Wissensaufbau der Unternehmen in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG). Durch die detaillierte Berichterstattung und die Notwendigkeit, sich intensiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen, sehen wir, dass Unternehmen ein tieferes Verständnis und eine größere Sensibilität für Nachhaltigkeitsfragen entwickeln. Unternehmen müssen z.B. unter der CSRD auch über Nachhaltigkeitsrisiken und -auswirkungen in ihrer gesamten Wertschöpfungskette berichten. Auch dies steht im Unterschied gegenüber anderen Standards, die oft nur auf die direkten Aktivitäten des Unternehmens fokussiert sind.
Unsere Annahme ist, dass dieser Wissensaufbau mit der Zeit zunehmen wird und dann zu einer stärkeren Integration von ESG-Kriterien in die Unternehmensstrategien führen und langfristig eine nachhaltigere Unternehmensentwicklung fördern kann.
Netzwerg: Wie profitieren Unternehmen von der CSRD-Berichterstattung, beispielsweise in Bezug auf ihre Unternehmensstrategie oder das Employer Branding?
Katrin Häuser: Unternehmen können von der CSRD-Berichterstattung auf vielfältige Weise profitieren; in der letzten Frage haben wir bereits einige Aspekte besprochen. In unseren Projekten sehen wir bereits, dass Unternehmen in der Vorbereitung auf die CSRD durch die Betrachtung und Integration der ökologischen und sozialen Aspekte ihre Unternehmensstrategie überarbeiten und langfristiger aufstellen. Die Berichterstattung über ESG-Faktoren hilft Unternehmen außerdem, potenzielle Risiken frühzeitig zu identifizieren und zu managen. Dies kann finanzielle Risiken reduzieren und die Resilienz des Unternehmens erhöhen. Unternehmen, die Nachhaltigkeit in ihre Strategie und ihre Geschäftsmodell integrieren, können sich von der Konkurrenz abheben und neue Geschäftsmöglichkeiten etablieren, insbesondere in Branchen, in denen Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Ganz klar an Bedeutung gewinnt das Thema Nachhaltigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Ein starkes Engagement für Nachhaltigkeit kann das Unternehmen für qualifizierte Fachkräfte attraktiver machen. Viele Arbeitnehmer:innen legen heute großen Wert auf die sozialen und ökologischen Werte von Unternehmen. Ein nachhaltiges Unternehmensimage steigert daher auch die Motivation und Loyalität der bestehenden Mitarbeiter. Ein starkes Nachhaltigkeitsprofil fördert eine Kultur der Verantwortung und des Engagements, was sich positiv auf das Arbeitsklima und die Zusammenarbeit im Unternehmen auswirkt.
Netzwerg: Aus der Perspektive der Unternehmen betrachtet – welche Hauptfaktoren tragen zur aktuellen Unsicherheit in CSR- und Nachhaltigkeitsabteilungen bezüglich der CSRD bei?
Katrin Häuser: Alle Marktteilnehmer müssen sich gerade auf die Anforderungen der CSRD einstellen und vorbereiten, denn die Richtlinie ist für alle neu. Außerdem ist die Umsetzung der CSRD in nationales Recht noch nicht abgeschlossen, was teilweise zu Verunsicherung führt und manche Unternehmen dazu bewegt noch abwarten zu wollen. Unser Appell ist hier aber ganz klar, so früh wie möglich mit der Umsetzung im eigenen Unternehmen zu beginnen, da nur noch spezifische Regelungen angepasst, aber die grundlegenden Anforderungen und auch die ESRS nicht mehr geändert werden können.
Netzwerg: Welche Strategien können Unternehmen anwenden, um diesen Herausforderungen zu begegnen?
Katrin Häuser: Wir empfehlen unseren Kund:innen frühzeitig ausreichend Ressourcen für das Thema bereitzustellen. Da die Berichterstattung über Nachhaltigkeitsinformationen zukünftig gleichwertig mit der über die Unternehmensfinanzen behandelt wird, gilt es entsprechend Budget bereitzustellen. Falls noch nicht vorhanden, sollte mit dem Aufbau eines Nachhaltigkeits-Teams begonnen werden, das sich auch um die CSRD kümmert und das Thema im Unternehmen koordiniert.
Gerade zu Beginn der Umsetzung kann ein Hinzuziehen von externen Partnern sinnvoll sein, die CSRD-Expertise und Umsetzungserfahrung mitbringen. Wir sprechen hier vom „Heavy Lifting“ zu Beginn der Vorbereitung: neue Prozesse, Strategien, Tools und Systeme müssen entwickelt und implementiert werden, um den neuen Berichtsanforderungen gerecht zu werden, was anfängliche Herausforderungen mit sich bringt. Über die Zeit werden sich diese Aufgaben einspielen und können dann auch mehr und mehr von den eigenen Mitarbeitenden übernommen werden.
Wir empfehlen außerdem die externe Prüfung so früh wie möglich mit einzubinden, um die Anforderungen an die CSRD-konforme Berichterstattung zu verstehen.
Netzwerg: Angesichts der strengen Regulierungen, wie können Unternehmen einen Bericht erstellen, der nicht nur den Anforderungen entspricht, sondern auch klar, ansprechend und für Investoren sowie Stakeholder relevant ist? Bleibt Raum für eine individuelle Gestaltung?
Katrin Häuser: Das ist tatsächlich eine viel diskutierte Fragen, auf die wir auch keine abschließende Antwort haben. Unsere Erwartung ist, dass es über den Lagebericht hinaus weitere Kommunikationsformate geben wird, die die Informationen aus dem Bericht stakeholder-spezifisch aufbereiten. Mich würde auch eure Sicht auf diese Frage interessieren – welche Entwicklungen erwartet ihr?
Netzwerg: Das sehen wir ganz genauso. Ein wichtiger Kommunikationskanal aus unserer Perspektive wird sicherlich der CR-Bereich auf der Website werden. Hier kann man die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Bericht mit Leben füllen und die Nachhaltigkeit im Unternehmen erlebbar machen. Mit Testimonials, den wichtigsten Kennzahlen und deren Entwicklung, Nachhaltigkeitsinitiativen etc. können so die Initiativen und Entwicklungen in den Unternehmen transparent und verständlich dargestellt werden. Allerdings sind die Unternehmen unseres Erachtens noch nicht so weit und aktuell noch komplett fokussiert auf die Berichtserstellung. Wir denken aber, das wird sich in den kommenden Monaten sicher ändern.
Wir haben den CSRD-Quick-Check mit Euch entwickelt, der einen Ausschnitt der Realität darstellt. Welche Möglichkeiten siehst du durch unseren CSRD-Quick-Check?
Katrin Häuser: Wir haben den CSRD-Quick-Check gemeinsam entwickelt, um Unternehmen die Möglichkeit zu geben, schnell ihren Reifegrad bei der Umsetzung der CSRD selbst ermitteln zu können. Am Ende des Fragebogens stellen wir eine Einschätzung des Status Quo sowie empfohlene nächste Schritte bereit. Natürlich sind wir darüber hinaus gerne bereit, mit Unternehmen in den Austausch und in die Tiefe zu gehen und freuen uns über jedes Feedback.
Netzwerg: Den CSRD-Quick-Check finden unsere Leserinnen übrigens hier. Er ist komplett kostenlos und vermittelt einen guten ersten Eindruck des Reifegrads Ihres Unternehmens in Sachen CSRD.
Katrin, vielen herzlichen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!
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