Künstliche Intelligenz (KI) im IR-Arbeitsalltag – 5 Fragen an Andrea Wentscher

Andrea Wentscher ist IR-Managerin beim DAX40-Konzern BASF und verantwortet die Kommunikation mit Privatanlegern. Ihre jahrelange Erfahrung mit digitalen IR-Aktivitäten, wie z.B. der IR-Website von BASF und den damit verbundenen Social-Media-Aktivitäten, bringt sie regelmäßig ein, unter anderem als Mitglied der DIRK Digital AG oder als Referentin für den DIRK Kompaktkurs Investor Relations. Im Nachgang einer gemeinsamen Workshopreihe hat sie uns fünf Fragen beantwortet.
Welche Herausforderungen kommen auf Investor Relations zu?
Hier gibt es eine Vielzahl von Themen, die in den vergangenen Jahren aufgekommen sind und in Zukunft stärkeres Gewicht in der Finanzkommunikation haben werden.
Sogenannte „Breaking News“ schlagen immer häufiger ein. Die Weltwirtschaft ist mittlerweile so eng verflochten, dass geopolitische Krisen, Lieferkettenprobleme und Ressourcenknappheit immer schnellere Reaktionen erfordern. Transparenz und Schnelligkeit in der Finanzkommunikation sind daher wichtiger denn je. Zweitens wird die sogenannte Gen Z als Investorengruppe relevanter und informiert sich vermehrt online, auf Social Media oder über Finfluencer. IR muss neue Formate und Kanäle entwickeln, um diese Zielgruppe zu erreichen. Drittens ist Künstliche Intelligenz (KI) seit dem ChatGPT-Moment auf dem Vormarsch und wird vieles grundlegend verändern. KI ist eine Revolution, KI wird nicht wieder verschwinden und unsere Arbeitsweise in den nächsten Jahren stark verändern.
Wie geht die BASF-Gruppe mit der KI-Thematik um?
In der chemischen Industrie verspricht die Einführung von KI erhebliche Vorteile in Bezug auf Sicherheit, Qualität, Produktivität, Kosteneffizienz und Wachstum. KI stellt für BASF auch eine große Chance dar, zu den langfristigen Nachhaltigkeitszielen beizutragen, Konzepte für die Kreislaufwirtschaft zu entwickeln und den ökologischen Fußabdruck insgesamt zu verringern. BASF erforscht seit mehr als zehn Jahren die Möglichkeiten und Vorteile von Modellen des maschinellen Lernens. Wir entwickeln und setzen KI in allen Bereichen des Tagesgeschäfts ein, z.B. in der Produktion, im Engineering und in der Forschung und Entwicklung.
Um das Potenzial von KI voll auszuschöpfen, fokussiert sich BASF auf drei Schwerpunkte. Der erste ist die breite Nutzung von KI-Assistenten im Arbeitsalltag. BASF hat schon früh für alle Mitarbeitenden chatBASF entwickelt und im Jahr 2024 bereits auf das Sprachmodell GPT-4o umgestellt, das auf neuere Daten zugreift. Außerdem haben wir den Microsoft 365 Copilot breit eingeführt. Dieser KI-Assistent ist in M365-Apps und -Dienste integriert, zum Beispiel Outlook, Teams, Word, Excel oder PowerPoint. Der zweite Schwerpunkt liegt auf spezifischen KI-Lösungen für Funktionen wie Operations, Controlling, Supply Chain oder R&D. Hier laufen bereits erste Piloten, die breite Implementierung wird in Wellen im Jahr 2025 erfolgen. Ein Beispiel ist PlantGPT, der BASF-eigene Chatbot für Wartungen und Prozesssteuerung in Anlagen. Einen längerfristigen Zeithorizont hat der dritte Schwerpunkt „KI-Innovationen“, in dem beispielsweise autonome KI-Systeme erprobt werden. Im Vordergrund steht hier, neuere, innovative KI-Technologien schnell in Lösungen für BASF umzuwandeln und das Unternehmen damit vom Wettbewerb abzuheben.
Ist KI für die Finanzkommunikation eher Risiko oder Chance?
Es ist eine Chance! Automatisierung, datengetriebene Analysen und effizientere Kommunikation machen KI zunehmend zur Schlüsseltechnologie für IR. Unsere Arbeitswelt wird sich in den kommenden fünf Jahren stark wandeln, und viele Veränderungen sehen wir schon heute.
Die Entwicklung im Bereich der Finanzanalysen ist ein Beispiel von vielen. Aber auch neue Berufsbilder werden entstehen, da neue Probleme gelöst werden müssen. Der Mensch hat Maschinen schon immer für seine Zwecke entwickelt und angepasst. Die Maschine ist und bleibt unser Sparringspartner oder Assistent, den wir steuern und zur Steigerung unserer Produktivität einsetzen. Ich bin überzeugt, dass richtig eingesetzte KI sowohl die Qualität als auch die Produktivität unserer Arbeit weiter verbessern wird.
Was sollte man bei der Implementierung einer KI-Strategie beachten?
Wir haben uns mit einer Reihe von Workshops angenähert. KI-Tools schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden, da verliert man leicht den Überblick. Der Versuch, diese Tools zu erfassen oder zu katalogisieren, erscheint nicht zielführend. Ein Ansatz könnte es sein, genau zu beobachten, an welchen Stellen KI im IR-Alltag schon konkret eingesetzt wird. Gibt es zum Beispiel Features, die meine User auf der IR-Webseite unterstützen würden? Oder kann ich meinen Content mit KI-Unterstützung verbessern? Aus meiner Sicht verspricht der Einsatz von KI im eigenen internen Arbeitsumfeld derzeit den größten Nutzen. Wir setzen stark auf Microsoft und das Office365-Umfeld. Die Arbeit in einem eigenen Arbeitsumfeld (Tenant) erhöht die Sicherheit. Mit guten Prompts kann ich verschiedenste Datentöpfe im eigenen Office- und Sharepoint-Umfeld anzapfen. Ich gewinne Zeit beim Suchen von Informationen, Erstellen und Zusammenfassen von Dokumenten. Je mehr man sich auf das Thema KI einlässt, desto mehr Anwendungsfälle wird man finden.
Ein kleiner Blick in die Glaskugel. Wo werden wir in einigen Jahren stehen?
Wenn die Veränderungsgeschwindigkeit der vergangenen 3 Jahre derart rasant bleibt, sind vernünftige Prognosen kaum möglich. Ich gehe davon aus, dass wir immer mehr sogenannte Agenten entwickeln werden. Das heißt wir setzen vermehrt eigene KI-Algorithmen ein, um zum Beispiel lästige Routinearbeiten zu erledigen. Dabei wird die Abhängigkeit von einzelnen Programmen oder Systemen weiter abnehmen. Das kann vor allem in stressigen Reporting-Zeiten einiges an Effizienz bringen. Idealerweise verbleibt so mehr Zeit für das „Relations“ in IR. Wir haben eine Reihe von Ideen für Business Cases, die sich mit KI unterstützen lassen. Dabei ist es wichtig, stets die Bedeutung und Integrität von Daten, das richtige Tool-Stack in seiner eigenen Infrastruktur sowie Compliance-, Datenschutz- und ethische Themen im Blick zu haben.

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