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19. April 2023 | Thorsten Greiten

KI in der Finanzbranche – gekommen, um zu bleiben

Beitrag: KI in der Finanzbranche – gekommen, um zu bleiben

Investor Relations & KI? Das ist keine neue Verbindung. In der Finanzindustrie haben einflussreiche Algorithmen Geschichte! Vor allem in den letzten Jahren hat die technische Entwicklung Fahrt aufgenommen und eröffnet neue Möglichkeiten der Kooperation zwischen Mensch und Maschine ...

Sind Ihre Finanzentscheidungen KI-gesteuert?

Haben Sie ein iPhone von Apple? Dann werden Ihre persönlichen Finanzentscheidungen womöglich seit dem Jahr 2014 von KI beeinflusst. Denn seitdem bezieht die App “Aktien”, die in das iOS-Betriebssystem von Apple integriert ist, ihre Informationen unter anderem von Yahoo-Finance, was bedeutet, dass Millionen von iPhone-Inhabern weltweit darauf zugreifen können. Die iOS-App "Aktien" ermöglicht es, Aktienkurse und Finanznachrichten zu verfolgen. Yahoo Finance nutzt KI-Technologien, um Finanznachrichten und Marktdaten in Echtzeit zu analysieren und auszuwerten, Aktienkurse vorherzusagen und Trends und Muster auf den Finanzmärkten zu analysieren. Mit personalisierten Nachrichten, Watchlists, Aktien-Tracker etc. ist der Einfluss dieser App enorm. Aber schauen wir zunächst, wo alles begann …

Geschichte der KI in der Finanzbranche

Alles begann in den späten 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Damals rief die Security Pacific National Bank eine Task Force zur Betrugsprävention ins Leben. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten weitete sich der Einsatz von KI aus auf die generelle Bekämpfung von Finanzkriminalität, auf Transaktionen, Buchhaltung, Investitionen, Immobilienmanagement, Online-Handel, Trading etc. Der Einfluss von KI auf sämtliche mit Finanzen assoziierte Aktionen und Entscheidungen ist enorm und hat z. B. auch eine Veränderung bedeutender Wirtschaftstheorien verursacht.1

In die späten 80er Jahre fällt auch die Entstehung von Aladdin. Aladdin ist ein Softwaresystem, das unter anderem Risikoanalysen durchführt, um Entscheidungen über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren zu treffen.2 Seit dem Jahr 2000 stellt die Vermögensverwaltung BlackRock auch externen Kunden das System zur Verfügung. Aladdin nutzt unter anderem KI und Machine-Learning-Technologien, um Risikoanalysen mit Portfolio-Management, Handels- und Betriebstools auf einer Plattform zu kombinieren. Es wird von Tausenden von Investment-Profis auf der ganzen Welt genutzt und bildet inzwischen einen Großteil des weltweiten Finanzökosystems ab.3

In den 1990er Jahren begannen Banken Expertensysteme zu verwenden, um Kreditanträge automatisch zu analysieren und zu bewerten. Diese Systeme basierten auf Regeln und Entscheidungslogik, die von menschlichen Experten entwickelt wurden. Sie waren in der Lage, schnell und effizient Kreditentscheidungen treffen.4

KI im Trading – Schnelle Reaktion auf Marktbewegungen

Im Jahr 2001 setzt ein Team von Robotern einen Meilenstein im Trading. In einem Testszenario gewinnt das Roboterteam gegen ein menschliches Team. Die Bots erwirtschaften 7 Prozent mehr Gewinn als die Menschen. Dies ist zugleich der erste Schritt in Richtung Automatisierung grundlegender Handelsentscheidungen auf Finanzmärkten.5

Computergestützte Handelssysteme, auch als algorithmischer Handel oder High-Frequency Trading (HFT) bezeichnet, verwenden komplexe Algorithmen und KI-Technologien, um Handelsentscheidungen automatisch zu treffen und innerhalb von Millisekunden auf Marktbewegungen zu reagieren.6 Der Einsatz von HFT hat in den letzten Jahren zu kontroversen Diskussionen über Marktvolatilität und potenzielle Risiken für die Finanzstabilität geführt. Hintergrund: Bei plötzlichen Aktienkursbewegungen kann HFT den so genannten Herdentrieb schnell verstärken und so einen Schneeballeffekt auslösen.

Die neue Entwicklung in 2023: ChatGPT kann Bewegungen auf dem Aktienmarkt offenbar besser vorhersagen als bislang genutzte Systeme. Eine Studie zeigt, dass die KI bei der Stimmungsanalyse gute Werte erzielen kann.7 Da die KI derzeit aber noch nicht auf aktuelle Daten zugreifen kann und noch Probleme bei der Verarbeitung großer Mengen numerischer Daten bestehen, ist weiterhin Entwicklung nötig, um Investitionsentscheidungen auf Grundlage der Vorhersagen von ChatGPT treffen zu können.

Bloomberg macht sich GPT-Technologie zunutze und entwickelt mit BloombergGPT eine KI, die Finanzdaten auswertet, um beispielsweise bei Risikobewertungen zu helfen, finanzielle Stimmungen zu messen oder die Buchhaltung zu automatisieren.8

Von Investment-Plattform bis Fintech – der Einfluss von KI weitet sich aus

Yahoo Finance ist eine Online-Plattform, die Finanznachrichten, Daten und Investment-Tools bereitstellt. Diese Plattform wurde erstmals in den späten 1990er Jahren eingeführt und hat sich seither zu einer der führenden und einflussreichsten Finanznachrichten- und Datenplattformen entwickelt. Yahoo Finance verwendet KI-Technologien, um Finanzdaten und -nachrichten in Echtzeit zu sammeln, zu analysieren und zu präsentieren. Die Plattform nutzt auch Machine-Learning-Algorithmen, um personalisierte Empfehlungen und Anlagestrategien für ihre Nutzer bereitzustellen.

2007 begann mit der Einführung des iPhones von Apple die Smartphone-Ära und damit das Zeitalter der Apps – auch im Finanzbereich. Die Yahoo-Finance App kann z. B. auf der Grundlage von Nutzerdaten und -präferenzen personalisierte Watchlists und Alerts erstellen und die Nutzer über wichtige Ereignisse und Trends auf dem Laufenden halten. Sie integriert dabei auch Wearables und andere Geräte, indem sie die entsprechenden Daten auch beispielsweise auf der Smartwatch, dem Rechner oder dem TV anzeigt. Weitere Beispiele für die Ausweitung des Einsatzes von KI in jüngerer Vergangenheit sind KI-Systeme für Compliance-Management oder Customer Relationship Management (CRM).

KI kann Effizienz steigern und Kosten sparen – Beispiel Datenanalyse

Die Verwendung von künstlicher Intelligenz (KI) in der Finanzindustrie ist seit über 30 Jahren üblich. Hier geht es zunehmend um Effizienzsteigerung und Einsparungen von Kosten. KI kann beispielsweise dabei helfen, Einblicke in die Finanzen und die Geschäftsentwicklung von Unternehmen zu gewinnen, indem sie große Datenmengen analysiert und Muster und Trends identifiziert. Sie kann Risiken und Chancen aufdecken, in dem sie Daten aus verschiedenen Quellen kombiniert und analysiert. So kann sie zu fundierten menschlichen Entscheidungen beitragen. Vor diesem Hintergrund setzte beispielsweise der US-amerikanische Finanzdienstleister S&P Global auf die KI-Technologien von Kensho. S&P Global kaufte Kensho auf und transformierte es zum unternehmenseigenen KI- & Innovation HUB.

Finanzratings, Finanzströme und KI

Finanzratings sind ein wertvolles Instrument, um die Bonität und finanzielle Stabilität eines Unternehmens zu bewerten. KI kann zu diesen Ratings einen wertvollen Beitrag liefern, indem sie große Mengen an Finanzdaten analysiert und auf dieser Grundlage Prognosen erstellt. Automatisierte Analysen von Finanzdaten und verwandten Informationen sind durch Machine Learning und Natural Language Processing (NLP) möglich. Auch hier ist KI-Assistenz hilfreich, um Unregelmäßigkeiten und Betrug zu erkennen, oder um Vorhersagen und Empfehlungen bezüglich der Entwicklung von Finanzströmen zu treffen. Die Bank of America nutzt zu diesem Zweck beispielsweise die KI-Technologie “Intelligent Receivables”.

Auch Investor Relations-Abteilungen können mithilfe von KI also schneller reagieren und deren Erkenntnisse in die IR-Kommunikation einfließen lassen. Natürlich sind KI-Systeme bislang nur Werkzeuge oder Assistenzsysteme. Sie können und sollen nicht die Aufgaben der Investor Relations-Officers (IRO) eigenständig übernehmen. Menschliche Expertise und Urteilsvermögen sind gefragt, um die Kommunikation zwischen Unternehmen und Investor:innen erfolgreich zu gestalten. In Sachen Emotionalität und Empathie, Kreativität und Fingerspitzengefühl können KIs Menschen nicht das Wasser reichen. Wenn es aber um die schnelle Bewältigung großer Datenmengen geht, oder um die schnelle und umfassende Beantwortung von Standard-Anfragen – da haben KIs größtenteils die Nase vorn.

KI unterstützt Investor Relations-Abteilungen bei der Content-Erstellung

Durch die Markteinführung von Text- und Bildgeneratoren kommt jetzt eine neue Aufgabe hinzu: Die Investor Relations-Abteilungen bei der Kommunikation mit Investment-Kreisen zu unterstützen. Hierbei geht es vor allem um die Darstellung von Unternehmenszahlen und finanziellen Kennzahlen für das Reporting, für Präsentationen und weiteren Content, der über das Unternehmen und seine Finanzen informiert.

Sogenannte Large Language Models wie ChatGPT sind in der Lage, Daten aus verschiedenen Quellen wie Finanzberichten oder Pressemitteilungen zu sammeln und zu analysieren, um auf dieser Grundlage Berichte und Präsentationen zu erstellen. Von dem Anschreiben an die Aktionärsgemeinschaft, über Blogposts bis hin zu SEO-optimierten Webtexten zu IR-spezifischen Themen – hier ist KI in der Lage, sinnvolle Unterstützung zu leisten. Aufgrund der eingesetzten Technologie verstehen Large Language Models Inhalte aber nicht, sondern formulieren Texte nur auf Grundlage von Wahrscheinlichkeiten. Deshalb müssen alle Inhalte von Menschen kontrolliert und gegebenenfalls inhaltlich oder auch stilistisch korrigiert werden.

Auch bei der visuellen Ausgestaltung von Inhalten, wie z. B. der Investment Story, kann KI unterstützen – sofern Verletzungen des Urheberrechts zweifelsfrei ausgeschlossen werden können. KI-generierte passgenaue Illustrationen können keinen Designer ersetzen, stellen aber gegenüber abgenutzten Stockfotos sicher eine Verbesserung dar. Zeit und Ressourcen sparen IR-Abteilungen in jedem Fall. Einerseits können sie sich auf wichtigere Aufgaben konzentrieren, wie z.B. auf die Interpretation von Daten oder die Vorbereitung von Investorengesprächen. Andererseits erhalten sie mehr Raum für Kreativität, für neue Projekte und Experimente. Es ergeben sich also – auch durch die aktuell entstehende ESG-Taxonomie für die Kapitalmärkte - ganz neue Möglichkeiten und Ausblicke für das Berufsbild des IROs.

1 Applications of artificial intelligence - Wikipedia
2 vgl. Aladdin - der Super-Algorithmus von BlackRock - IT-Times
3 vgl. Staying one step ahead: BlackRock’s Aladdin - KPMG Global
4 vgl. Expertensysteme - Lexikon der Neurowissenschaft (spektrum.de)
5 siehe: BBC News | BUSINESS | Robots beat humans in trading battle
6 vgl. High-frequency trading - Wikipedia
7 vgl. Chat GPT kann besser Aktienkurse vorhersagen als andere Modelle - Business Insider
8 vgl. Introducing BloombergGPT, Bloomberg’s 50-billion parameter large language model, purpose-built from scratch for finance | Press | Bloomberg LP

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