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12. Dezember 2019

Storytelling: Die Heldenreise in der Weihnachtsgeschichte

Beitrag: Storytelling: Die Heldenreise in der Weihnachtsgeschichte

Jeder liebt gute Geschichten und gute Geschichten folgen bestimmten Mustern, die uns emotional in ihren Bann ziehen. Eines der bekanntesten Muster ist die Heldenreise, neben anderen Formen wie der Drei- oder Fünf-Akt-Struktur, die ebenfalls in der Unternehmenskommunikation angewandt werden. Wie sich die Heldenreise auf Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte übertragen lässt, zeigen wir in diesem Beitrag.

Die Heldenreise kurz erklärt

Der amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell (1904 – 1987) beschrieb als erster das universelle Erzählschema der Heldenreise, die in seiner Theorie 17 Stationen durchläuft. Daran angelehnt entwarf Drehbuchautor und Publizist Christopher Vogler (* 1949) später ein einfacheres Schema mit 12 Stationen, das bis heute die Basis zahlreicher Hollywood-Filme bildet:

  1. Ausgangspunkt: Der Held befindet sich in seiner gewohnten Umgebung.
  2. Ruf zum Abenteuer: Durch innere oder äußere Umstände wird der Held zum Abenteuer gerufen.
  3. Verweigerung: Zunächst verweigert sich der Held, das Abenteuer anzutreten.
  4. Mentor: Ein Mentor überredet den Helden zum Aufbruch.
  5. Aufbruch / Überschreiten der ersten Schwelle: Der Held bricht auf ins Unbekannte und geht den ersten Schritt ins Abenteuer, aus dem es kein Zurück mehr gibt.
  6. Erste Bewährungsproben: Unterwegs trifft der Held auf erste Gegner, aber auch Verbündete.
  7. Tiefste Höhle, Aufeinandertreffen mit dem Gegner: Der Held ist auf dem Höhepunkt des Abenteuers angekommen.
  8. Entscheidende Prüfung: Der Held überwindet den Gegner.
  9. Der Schatz: Zur Belohnung gelangt der Held an den Schatz und kann ihn mitnehmen.
  10. Rückweg samt Auferstehung: Es folgt der Heimweg, bei dem der Held den Schatz vor weiteren Gefahren schützen muss.
  11. Reifung der Persönlichkeit: Durch den Sieg über den Feind und mit dem Schatz in den Händen ist der Held zu einer neuen Persönlichkeit gereift.
  12. Ende der Reise: Der Held bekommt zuhause die Anerkennung für seine Leistung.

Beim Storytelling in der Unternehmenskommunikation durchläuft der Held selten alle Stationen, die folgenden sind im Content Marketing jedoch am häufigsten identifizierbar: Ruf zum Abenteuer, Aufbruch, Bewährungsproben und Prüfungen, Schatz sowie Rückkehr/Ende der Reise.

Beliebte Anwendungsbeispiele für die Heldenreise im Unternehmenskontext sind vor allem die Gründungsgeschichte, Erfolgs-, Mitarbeiter- und Projektgeschichten, aber auch einzelne kleine Geschichten, die in Marketing und Werbung erzählt werden und beispielsweise das Produkt oder die Dienstleistung als „Schatz“ in Szene setzen.

Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte: Eine typische Heldenreise

Die Weihnachtsgeschichte (original: A Christmas Carol) von Charles Dickens mit ihren zahlreichen Adaptionen in Film und Literatur dürfte wohl den meisten ein Begriff sein. Sie bietet sich dank ihrer klaren Erzählstruktur bestens an, um die Heldenreise beispielhaft darzustellen, auch wenn sie nicht jede der oben genannten Stationen durchläuft.

  • Ausgangspunkt: Der alte Geizkragen Ebenezer Scrooge (Held) führt ein tristes Leben in London und ist bei seinen Mitmenschen vor allem wegen seiner Kaltherzigkeit gefürchtet. Güte und Mitgefühl kennt er nicht und auch das Weihnachtsfest sieht er als Unsinn, dem er sich strikt verweigert.
  • Ruf zum Abenteuer & Mentor: Der Geist seines verstorbenen Geschäftspartners besucht Scrooge in der Weihnachtsnacht, um ihn davor zu warnen, weiterhin unbarmherzig durchs Leben zu gehen, da er sonst – wie er – als Geist in schweren Ketten enden wird.
  • Aufbruch: Mit dem Erscheinen des Geistes der vergangenen Weihnacht beginnt die Heldenreise von Ebenezer Scrooge. Dieser Geist nimmt ihn mit in die Vergangenheit. Dort sieht er seine Familie, seine verflossene Liebe und sowohl glückliche als auch unangenehme Situationen aus früheren Jahren, die ihn zu der Person gemacht haben, die er heute ist. Nachdem der Geist verschwunden ist, fällt Scrooge in einen unruhigen Schlaf.
  • Bewährungsproben: Der Geist der gegenwärtigen Weihnacht erscheint kurze Zeit später. Er zeigt Scrooge, wie das Weihnachtsfest ablaufen wird, wenn er die Schatten seiner Persönlichkeit nicht ablegt. Scrooge sieht u.a. den schwerkranken Sohn seines Angestellten, den er seit eh und je schlecht behandelt, und seinen Neffen, der ihn alljährlich zum Weihnachtsfest einlädt, was er aber immer wieder ausschlägt. Auch böse Aussagen, die Scrooge über Arme und Kranke getätigt hat, führt ihm der Geist vor Augen. Der Geist verschwindet wieder und lässt Scrooge in der Dunkelheit zurück.
  • Tiefste Höhle: Das Erscheinen des Geistes der zukünftigen Weihnacht führt Scrooge in die tiefsten Abgründe seiner Seele. Er sieht zunächst, wie die Familie seines Angestellten um den Sohn trauert, der inzwischen an seiner schweren Krankheit verstorben ist. Außerdem zeigt ihm der Geist Szenen, wie sich Geschäftsmänner über einen kürzlich verstorbenen Kollegen lustig machen und wie eine Putzfrau die Habseligkeiten des Verstorbenen stielt und verscherbelt. Als Scrooge den Geist bittet, ihn wieder zurück in sein Haus zu bringen, führt ihn der Geist stattdessen auf einen Friedhof zu einem Grabstein. Auf diesem ist „Ebenezer Scrooge“ zu lesen, wodurch er realisiert, dass er selbst der einsame ungeliebte Verstorbene ist.
  • Entscheidende Prüfung: Scrooge bricht unter all diesen Eindrücken zusammen, fällt auf die Knie und gelobt inbrünstig Besserung. Er schwört, die vergangenen, die gegenwärtigen und die zukünftigen Weihnachten in seinem Herzen zu bewahren.
  • Schatz und Reifung der Persönlichkeit: Geläutert und voller guter Vorsätze erwacht Scrooge am 25. Dezember in seinem Bett. Er startet sofort in ein neues Leben und versucht, seine Unbarmherzigkeit und seinen Geiz mit großzügigen Spenden an seinen Angestellten mit dem kranken Sohn sowie an Arme und Bedürftige wieder wettzumachen. Außerdem nimmt er die Weihnachtseinladung seines Neffen an.
  • Ende der Reise: Scrooge nimmt den „Schatz“, also seine positive Persönlichkeitsentwicklung, an und feiert mit seinem Neffen und dessen Freunden Weihnachten, die sich alle sehr über seine Anwesenheit freuen.

Übertragen auf die Unternehmenskommunikation lässt sich damit festhalten, dass nicht jeder Text exakt dem Heldenreise-Schema folgen muss, um Menschen emotional zu berühren. Wichtig sind Identifikationspunkte und ein Spannungsbogen, der sich am Ende zum Wohl des Helden auflöst. Der Held ist im Marketingkontext meist der Kunde, der durch das Produkt eine Entwicklung durchmacht, die ihm beim Lösen seiner Herausforderungen hilft.

Die Heldenreise ist insofern eine ideale Leitlinie, um Geschichten aus dem Unternehmen mit Spannung und Leben zu füllen, egal ob als Text oder Video.

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