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9. März 2021 | Thorsten Greiten

Google Plex – Disruption der Finanzwelt durch die hungrige Datenkrake

Beitrag: Google Plex – Disruption der Finanzwelt durch die hungrige Datenkrake

Google (bzw. das Mutter-Unternehmen Alphabet) hat im November 2020 bekannt gegeben, dass die Google-Pay-App aktualisiert werden wird und Google Plex auf den Markt kommt – ein Tool, mit dessen Hilfe digitales Banking weitflächig über Google ermöglicht werden soll. Zusammengefasst: Google bietet ein eigenes Girokonto an. Mit der Ankündigung bewahrheiten sich die Befürchtungen der Banken, dass Tech-Konzerne ihren Platz in der Finanzwelt einnehmen. Auch Samsung und Apple mischen kräftig mit, verfolgen jedoch andere Ziele.

Google besitzt zwar eine Banklizenz, jedoch ist Google Plex keine eigene Bank, die an den Start geht – stattdessen hat sich Google mit bisher elf Bankinstituten zusammengetan, die ihre Dienste über die App anbieten werden. Es stellt nach der erfolgreichen Einführung des Bezahlsystems Google Pay den nächsten logischen Schritt dar: Nutzer:innen erhalten ein mobilbasiertes Bankkonto. Die Datenkrake bekommt neues Futter!

Warum ist Google Plex attraktiv für neue Nutzer?

  • Unschlagbar im Kostenvergleich: keine Monatsgebühr, keine Überziehungsgebühr, kein erforderliches Mindestguthaben. Das könnte ein weiterer Sargnagel für viele Sparkassen und Volksbanken und alle anderen im Retailbanking sein, die immer noch über horrende Überziehungszinsen ein einträgliches Geschäft machen.

  • Business-Partner im Blick: Wenn Nutzer:innen ein Cashback-Angebot einlösen, wird das Geld direkt auf ein Google-Pay-Konto überwiesen. Hier werden sich viele interessante neue Kooperationen ergeben.

  • Virtualisierung der realen Welt: User:innen können ein Produkt in einem Geschäft scannen und mit Google Shopping an einem anderen Ort kaufen oder eben direkt online erwerben. Das ist sicher eine Chance für aussterbende Innenstädte, um attraktive Flagship-Stores zu etablieren.

  • Google weiß, was du letzten Sommer getan hast: Ein persönlicher „Finanzmanager“ (heute schon Standard bei vielen Banken) ist selbstverständlich auch vorhanden. Die neu gestaltete Google-Pay-App kann auf die Google-Mail- und Google-Fotos-Konten der Nutzer:innen zugreifen, um automatisch nach Belegen zu suchen und diese direkt einzuordnen. Google weiß eben doch mehr als alle anderen.

Warum hat Google unschlagbare Vorteile?

Die deutsche Bankenlandschaft steht vor 3 Herausforderungen, die strategisch gemeistert werden müssen, um mit Google mithalten zu können:

  1. Datenmenge und -Qualität: Google verfügt einfach über die größere Menge an Daten, die nur aggregiert werden müssen. Damit ist Google sogar in der Lage, die finanzielle Zukunft der User:innen vorauszusagen. Dadurch können Risiken viel besser gemanagt und Kredite leichter vergeben werden.

  2. Datengestützte Geschäftsbeziehungen: Nicht vergessen, Google ist immer noch ein Konzern, der von bezahlter Werbung lebt. Durch die langjährigen Händlerbeziehungen (z.B. Google Ads) ist es ein einfacher Schritt, auch die Zahlungsströme der Geschäfte zu integrieren.

  3. Technologie-Ressourcen: Ein Großteil der deutschen Bankenwelt läuft noch auf Systemen der 1990er Jahre. Selbst geschaffene, gewachsene und sehr komplexe Abwicklungsprozesse stehen oft im Vordergrund, die User:innen jedoch nur selten. DIN A4 ist heilig. Auch die Werbung konzentriert sich oft noch auf regionale Nähe durch die Filiale vor Ort und schafft keine Alleinstellungsmerkmale im umkämpften Wettbewerb. Google dagegen erfindet sich dauernd neu und lebt schon seit Jahren in der Cloud. Technologie, Software und Daten sind das Kerngeschäft, nicht das Betreiben einer Bank mit „Produkten“. Das ist übrigens das gleiche Phänomen wie bei „Autobauer“ Tesla in Bezug auf die deutsche Automobilwirtschaft. Teslas eigentlicher Kern ist die ausgefeilte Software, die Produktion von Autos ist sekundär.

Wie sieht die Zukunft aus? Was hat Google vor?

Google Plex soll zunächst nur in den USA zur Verfügung stehen, perspektivisch aber auch in Europa – zudem das Bankensystem in den USA weitaus komplexer und schwieriger zu durchdringen ist. Sollte Google in den USA erfolgreich sein, wird man vermutlich recht schnell den dann einfach zu organisierenden Markt in Europa ins Visier nehmen.

Google will keine Bank werden, aber Banking” mitgestalten. Das Ziel ist es nicht, durch Bankgeschäfte Gewinnmaximierung zu betreiben. Vielmehr soll ein Finanz-Ökosystem errichtet werden, um weitere exklusive Daten zu generieren.

Das Girokonto ist dabei nur ein Zwischenschritt. Das nächste große Ziel ist am Horizont schon sichtbar: Google-User:innen können mit hoher Wahrscheinlichkeit in einigen Jahren auch sämtliche Investment- und Aktien-Themen in einem eigenen Google-Depot abwickeln. Die großen Veränderungen der letzten Monate im Bereich Google Finance weisen darauf hin. So hat Google mittlerweile mit fast allen Börsen weltweit Abkommen geschlossen, um Daten von Wertpapieren in Echtzeit abzugreifen. Kennzahlen und Wettbewerbsvergleiche sind jetzt schon möglich.

Was bedeutet das für die Unternehmens- und Finanzkommunikation?

Mit der Umleitung der Finanzströme in den Google-Kosmos verschieben sich auch die benötigten Informationsflüsse, um eine Anlageentscheidung zu treffen.

Digitale Investor:innen haben nur wenig Zeit und interessieren sich nicht für das Organigramm des Unternehmens. Sie werden Corporate- oder IR-Sites nicht mehr aktiv besuchen. Sie wollen jedoch trotzdem wissen, wo ihre Dividende herkommt, wie die Wertschöpfungskette aussieht und wie zukunftsfähig das Unternehmen aufgestellt ist. Auch ESG-Kennzahlen werden von Finanzanalysten in der Risikobewertung mitberücksichtigt. Wer Google diese Informationen liefert und den Daseinszweck des Unternehmens klar benennt, ist dem Wettbewerb deutlich voraus. Es ist Aufgabe der Investor-Relations-Abteilung, die Frage nach einem nachhaltigen, renditeträchtigen Investment zu erklären und dafür zu sorgen, dass diese Information zu den User:innen kommt – und nicht umgekehrt.

Und das ist der springende Punkt: Maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz (KI) sind keine ferne Zukunftsvision mehr, sondern operative Realität im Alltag. Analyst:innen und Journalist:innen bestellen sich nicht länger einmal im Jahr den gedruckten Geschäftsbericht, um stichhaltige Informationen zu bekommen. Diese Aufgabe übernimmt Google mit seinen Fangarmen („Robots“, „Crawler“ etc.), die Tag und Nacht IR-Websites und Social Signals unter die Lupe nehmen, daraus ihre eigenen Schlüsse ziehen und mit einem Algorithmus die Kapitalmärkte bewegen. Hier hat IR die Aufgabe, alle Informationen rund um ein nachhaltiges Investment in strukturierten Daten zur Verfügung zu stellen.

Wenn Sie wissen wollen, wie das geht, sprechen Sie uns an! Wir freuen uns auf Ihr Feedback.

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