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22. Juli 2016 | Thorsten Greiten

IT- und Webprojekte: Die 6 Unbekannten im Projekt

Beitrag: IT- und Webprojekte: Die 6 Unbekannten im Projekt

Manche Dinge sind kompliziert: Steuerbescheide, Gebrauchsanleitungen, der Beziehungsstatus auf Facebook. Kompliziert bedeutet, dass es mit Aufwand und Schwierigkeiten verbunden ist, viele bekannte (!) Variablen zu einem bestimmten Zweck erfolgreich zusammenzuführen.

IT- und Web-Projekte sind nicht kompliziert. Sie sind komplex! Das heißt konkret: Die Rahmenbedingungen sind umfassend, verflochten, vielschichtig und – was kaum jemand beachtet –  zusammenhängend. Komplex – das Gegenteil von simpel.

Wichtige Einflussfaktoren, die über Projekterfolg entscheiden, sind zu Projektbeginn größtenteils unbekannt. Und selbst wenn sie sichtbar werden, sind sie nur schwer zu beschreiben und müssen aufwändig analysiert werden.

Noch vor einigen Jahren reichte es aus, auf wenigen Seiten das Briefing einer Website zusammenzufassen. Das Ergebnis war nach ein paar „Designrunden“ und wenige Wochen später sichtbar. Die Domain war bestellt, der FTP-Client eingerichtet, das Screendesign im 800x600-Modus standardisiert. In Konzernen wurde die Aufgabe an die eigene IT-Abteilung delegiert, wo sich Praktikanten gerne abseits des „Business Plattform“ und SAP-Alltags selbstverwirklichen durften.

Diese Zeiten sind vorbei! Die äußeren Rahmenbedingungen haben sich radikal geändert. Statt jedoch mit Kulturwandel, eigenen Digitalisierungsideen und organisatorischem Umbau auf die Umstände zu reagieren, verharren alle Beteiligten in Schockstarre und reagieren wahlweise mit internem „Fingerpointing“ oder einer unfassbar bürokratischen Regulierungskeule! Betriebsrätin Marie Antoinette als Datenschutzbeauftragte: Know-how, Ansichten und Einstellungen von Verantwortlichen erinnern oftmals an die des französischen Adels kurz vor der Revolution.

Welche Komplexe gilt es zu beachten, um IT- und Web-Projekte erfolgreich zu planen und umzusetzen? Wo liegen die großen Unbekannten?

1. Konzeption & Briefing

Wie oben beschrieben, war es früher nach einem kurzen Briefing möglich loszulegen, um nach einigen Wochen ein jahrelang gültiges, nutzbares Ergebnis zu erzielen. Heute ist die Erstellung eines Feinkonzeptes, das die Anforderungen zu 100 % final abbildet, nahezu unmöglich. Allein die Halbwertzeit gültiger Systemanforderungen ohne ein „störendes“ Update in den Systemen beträgt kaum mehr als ein Quartal. Auch Innovationen auf dem Feld der Social-Media-Anwendungen erweitern sich monatlich. Und das exponentiell. Wirkliche Innovationen, die ihrer Zeit voraus sind, passen selten in ein Briefing. Konzepte überholen sich im Projektverlauf daher schnell selber.

2. Distribution & Social Networking

Der Einsatz von Social-Networking-Funktionen ist notwendig und darf in keinem Konzept fehlen. Schließlich müssen Informationen zum User gelangen, nicht umgekehrt. Leider funktioniert jeder Kanal anders, Standards existieren nur selten (z. B. Twitter) oder wandeln innerhalb weniger Wochen ihr Gesicht. Eine Betreuung der Kanäle mit  professionellem Monitoring existiert selten. Das Know-how zur Verbindung von Content Management, Schnittstellen und Kanälen ist in Konzernen selten zu finden. Fehler durch Kettenreaktionen, die bis auf Server- oder Datenbankeinstellungen zurückgehen können, sind weder vollständig zu identifizieren, geschweige denn eigenständig zu beheben.

3. App & Mobile first

Keine erfolgreiche Anwendung kommt heut zu Tage mehr ohne mobile Lösung aus. Diese Lösungen müssen auf einer unüberschaubaren Vielzahl von Endgeräten funktionieren! Täglich kommen neue hinzu, aber alte Versionen verschwinden jedoch nicht. Unregelmäßig und ohne Ankündigung erfolgen Updates der Betriebssysteme. Jeder User hat neben individuellen Anwendungskenntnissen auch extrem abweichende persönliche Einstellungen zu Datenschutz, Sprache, Standort, Bildschirmgröße, Bezahlsystem oder anderen Spezialfunktionen. Fazit: Es wird nahezu unmöglich, es allen Usern recht zu machen. Folglich ist laufendes Testing auch nach einem (Re-)Launch ein Muss.

4. Schnittstellen & Infrastruktur

Früher reichte die Einbindung einfachster HTMLs auf den Seiten eines Providers, um eine Website funktionsfähig zu machen. Heute müssen verschiedenste Datenbanken und CMS über komplexe API miteinander verbunden und in die konzerneigene IT-Landschaft integriert werden.  Auch hier führen wechselnde Anforderungen und Updates im Hintergrund zu ungeplanten Kettenreaktionen. Steigenden Verfügbarkeits- und Sicherheitsanforderungen werfen immer wieder neue Fragen an Server und Zertifikate auf. Die adäquate Beantwortung hängt maßgeblich von der Flexibilität, der Verfügbarkeit und den Skills der eigenen Leute in der Konzern-IT ab.

5. Projektorganisation & Kommunikation

Eben diese eigene IT braucht beispielsweise im Falle der App-Entwicklung Ressourcen, um dauerhaft den App Store zu bedienen. Uploads müssen getestet, geprüft, freigeschaltet und dokumentiert werden. Schon Kleinigkeiten wie das Ablaufen eines Zertifikats oder einer Kreditkarte, können dringende Uploads verhindern. Wer ist dafür verantwortlich? Gibt es hierfür überhaupt Prozesse? In DAX30-Organisationen, mit mangelnder Kritikfähigkeit und nichtexistenter Fehlerkultur, werden „Try and Error“-Entwicklungen wie Apps kaum auf Verständnis stoßen. Schnell folgen Unruhe, Eskalation und laute CC-Mails bis zum CTO/CEO. Beachte: Spontane Improvisationen, smarte Lösungen und sichere Workarounds sind gefragt. Druck von oben ist hier kontraproduktiv, Gras wächst nicht schneller, nur weil man daran zieht!

6. „Projektantrag“ & Budgetierung

Konzerne müssen schon in der Anbahnung von IT-Vorhaben umdenken und flexibler werden. Die Entwicklung einer App oder der Relaunch einer Website können nur noch bedingt in einem Projektantrag abgebildet werden.

Projektmanagement, Testing, Konzeption sind in Summe mehr wert als die reine Umsetzung. Selbst Größen wie Apple, Google oder Amazon gehen den Weg des „Beta-Testing“, um den User zu überlassen, wann eine Entwicklung fertig ist. Und hier scheint kein Ende in Sicht: es gibt weiterhin eine Vielzahl von Bugs und System-Updates. Schon vor Projektbeginn muss also klar sein, wie es weitergeht. Exit-Strategien inbegriffen.

Fazit

Neben der Umsetzung von Projekten, müssen der Betrieb und die Weiterentwicklung von Plattformen und Anwendungen genau so organisiert und kalkuliert werden, wie Umsetzung und Launch. Großen budgetgetriebenen Organisationen kann es helfen, zukünftig in Release-Zyklen zu agieren, statt in verkapselten, festzementierten Projekt- und Relaunchplänen zu verharren.

Nichts in einem modernen IT-Projekt ist beständiger als der Wandel. Für Kunden, Entwickler und Projektmanager gilt mehr denn je das militärische Motto „Leben in der Lage“:
Jeder Projektplan hält so lange, bis er zum ersten Mal auf einen User trifft!

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