Sie kennen das: Da liest man morgens auf dem Tablet Nachrichten und amüsiert sich über einen neuen Fall in den USA, in dem Nutella dafür verklagt wird, nun doch nicht so gesund zu sein, wie man dachte. Oder an den Fall, in dem der Mikrowellenhersteller Schadensersatz zahlen soll, weil er in der Anleitung nicht explizit vermerkt hat, dass sich das Gerät nicht zum Trocknen von Katzen eignet. „Was ist nur in diese Menschen gefahren?“ fragt man sich da.
Tatsächlich führt eine solche Klagewut auch zu einer Mentalität des reflexhaften Absicherns. Und das ganz unabhängig von tatsächlichen Schäden, die man erleidet oder verursacht.
Haben sie Recht?
Wir hier in der alten Welt schauen uns abends Ally McBeal oder Boston Legal an und freuen uns über dieses obskure Phänomen. Doch unbemerkt schleicht sich ein gewisses Unbehagen auch in unsere Arbeitswelt: Was ist, wenn die amerikanischen Kulturverwandten und Freunde vielleicht doch recht haben? Was ist, wenn ich mich als potenziell Geschädigter zwar immer in vornehmer Zurückhaltung übe, aber Schaden nehme, wenn ein streitlustiger Mensch der Meinung ist, er müsste mich wegen irgendwas verklagen?
Man bildet also Rücklagen, denn man weiß ja nie … Aber Rücklagen selbst sind verdächtig. Sind sie schon potenzielles Schuldeingeständnis für einen Fall, den es noch gar nicht gibt? Wohl dem, der im Ernstfall vorbereitet ist. Und der Ernstfall kommt im Zweifel unerwartet.
Eierbecher oder Kommunikationselektronik
So erging es einmal der Firma Koziol im Odenwald. Sie ahnte nichts Böses bei der Produktion kleiner Haushaltshelfer aus Plastik und benannte einen Eierbecher aus Werbegründen mit dem Wortspiel „EiPOTT“. Für denjenigen, der in diesen Zeiten nicht direkt die Verbindung herstellt (what?!): Dieser Produktname erinnert an eine Produktgruppe aus der Kommunikationselektronik, deren Nutzgegenstand ein englisch ausgesprochenes „i“ vorangestellt wird (bei wem der Groschen nicht fällt – es handelt sich um das Wortspiel mit der i-Familie von Apple). Dem Urheber dieser findigen Betitelungen fehlte allerdings irgendwie der Humor. Kurzerhand verklagte der amerikanische Gigant den kleinen deutschen Mittelständler und erwirkte erfolgreich eine Einstweilige Verfügung.
Koziol, sehr schnell, sehr geschickt, verlor den Fall, gab aber am selben Tag eine Pressemitteilung über den verlorenen Rechtsfall heraus. Zusätzlich richteten die humorvollen Odenwälder auf ihrer Website ein Online-Spiel namens „eiPlay“ ein: Wer mit einem Eierbecher ein Ei auffängt, bekommt 30 Punkte. Und wer vom Baum fallende Äpfel wegkickt, bekommt sogar 500 Punkte.
Chance genutzt
Kurze Zeit später war das Produkt ausverkauft, denn jeder wollte sich noch ein so lustiges Teil sichern. Das Unternehmen hatte also die Chance der Kommunikation und des Webs genutzt und dadurch wurde das Produkt Kult.
Koziol mag einen Rechtsfall und einen witzigen Marketinggag verloren haben, aber die Herzen der Verbraucher hatte das kleine Unternehmen gleichzeitig gewonnen. Apple hingegen durfte sein Recht in Anspruch nehmen. Aber wie finden wir es denn, dass ein Gigant dieser Größenordnung es nötig hat, auf einen kleinen Anbieter eines völlig anderen Produktes loszugehen? Die Lehre, die aus diesem speziellen Fall (und vieler vergleichbarer) zu ziehen ist: viele Probleme sind mit Anwälten zu lösen – vor allem dann, wenn es um kaufmännische Risiken geht. Kaufmännische Chancen dagegen eröffnet eine mutige Kommunikation.
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